Frankfurter Allgemeine Zeitung
 März 1991

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Ferngesteuerte Flugmodelle, schön für´s Auge, lästig fürs Ohr, gehören zu den anspruchsvollsten technischen Spielzeugen. Von beinahe jedem Flugzeugmuster gibt es eine Miniaturausgabe. Die Bastler mit dem Funkgerät vor dem Bauch lenken Fockers Dreidecker genau so sicher durch die Luft wie einen viermotorigen Airliner. Nur den Hubschrauber bekamen sie nie in den Griff. Dieter Schlüter schaffte es. 

Sein Ehrentitel: Vater des Modellhubschraubers.

Dieter Schlüter ist einer jener bemerkenswerten unprominenten Zeitgenossen, die kaum jemand in der Nachbarschaft kennt, die aber gleichwohl unter Fachleuten in aller Welt einen Namen haben. Der gebürtige Frankfurter lernte Automechaniker und wurde Kfz.-Meister, bevor er sich im Abendstudium zum Ingenieur aufschwang. Mit Autos hatte er immer noch zu tun: als Kraftfahrzeug-Sachverständiger. Schlüter unterhält in Wiesbaden-Schierstein ein Ingenieurbüro. Die Nähe zum Wasser bringt es mit sich, daß er auch Boote entwirft. Schlüter zieht allerdings größere Gewässer dem Rhein vor. 

Den Erfolg seines Lebens hatte er in einem dritten Metier, der Luft. Damals war er ein ehrgeiziger Modellflieger,der sich nicht mit den käuflichen Baukästen zufriedengab und eigene Typen konstruierte, darunter eine hölzerne Me 109. Er errang den Titel eines hessischen Kunstflugmeisters. Eines Tages stellte er sich dieselbe Frage, auf die schon die großen Flugzeugkonstrukteure dreißig Jahre lang keine Antwort gefunden hatten: Warum ist ein Hubschrauber so unendlich viel schwerer zu lenken als ein Flächenflugzeug? Weil er stets labil, nie stabil in der Luft liegt. Schlüter wusste, wie es bei den Großen funktioniert. Zur Auftriebserzeugung werden die Rotorblätter kollektiv verstellt, zum steuern obendrein noch zyklisch. Bisher waren alle Modellbauer an der Aufgabe gescheitert, Konstruktionspläne von Bell und Lockheed halfen auch nicht weiter. Die komplizierte Technik eines Großhubschraubers ließ sich nicht einfach miniaturisieren.

Diese resignierende Erkenntnis führte dann zum Erfolg. Schlüter vereinfachte das System radikal. Er verzichtete vorerst auf die sog. kollektive Blattverstellung und steuerte das Abheben einfach über die Regelung der Rotordrehzahl. Der Weg von der Theorie zur Praxis war mit Trümmern übersät, "bei jeder Bodenberührung zerstörte sich das Ding selber". Ende 1969 / Anfang 1970 war er am Ziel. Im Juni 1970 stellte er zwei Weltrekorde im Dauerflug von knapp 28 Minuten und einer Strecke von 11,5 Km auf. Er machte das Hobby zum Beruf und wurde unter Modellbauern zur Institution. Sein Briefkasten füllte sich mit Anfragen, Bestellungen, sogar mit Geldscheinen. In seinem Hobbykeller in Mühlheim am Main produzierte er 300 Bausätze seines Hubschraubers. Er stellte jedes Teilchen an der eigenen Werkbank her, Gehäuse, Kugelgelenke, Taumelscheibe, und die Späne flogen bis ins Schlafzimmer.

Dann wurde ein richtiges Unternehmen daraus, das weltweit über 70.000 Bausätze verkaufte und auch sonst alle Modellbauerwünsche erfüllte. Vor einigen Jahren hat er sein Unternehmen verkauft. Heute knattern weltweit mehr als 150.000 kleine Drehflügler mit dem von Schlüter entwickelten Steuersystem in der Luft herum. Schlüter schrieb das noch heute aktuelle Standardwerk "Hubschrauber ferngesteuert". Zwei Modellhubschrauber im Deutschen Museum in München und im Hubschraubermuseum Bückeburg sichern ihm ein wenig Unsterblichkeit.

Ende des FAZ-Artikels

Anmerkung:

Meine Modellhubschrauber im Deutschen Museum München findet man auf der Empore in der Luftfahrt-Halle. Relikte aus den früheren Versuchen und einige erste Modelle von mir befinden sich im Hubschrauber-Museum Bückeburg.

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