Technik und Erfahrung mit vibrationsfreier Kameraaufhängung
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Anfrage:

Sehr geehrter Herr Schlüter,
Ich habe vor, für unsere Modellflug-Webpage, aber auch für unser geplantes Video "Ein Verein stellt sich vor" mit meinem Modell-Heli Luftbildaufnahmen unserer Vereinsanlage zu machen. Das Problem, vor dem Sie, wie ich aus ihrem Buch erfahren habe, auch standen: Eine vibrationsfreie Kamera-Aufhängung. Bevor ich weitere ungezählte Stunden im Werkraum verbringe wollte ich Sie höflich darum bitten, mir einen Tipp zu geben, wie dieses Problem zu lösen ist.

Meine Antwort:

Einen pauschalen Tipp für eine vibrationsfreie Kameraaufhängung kann ich nicht geben denn die Gestaltung einer solchen Aufhängung ist von sehr vielen und unterschiedlichen Faktoren abhängig.

Denn bei einem Modellhubschrauber gibt es mehrere "Vibrationserzeuger":
1. Der Antriebsmotor.
Ein 10ccm-Zweitakt-"Glühzünder" dreht so um die +/- 14.000 Umdrehungen pro Minute, ein 22ccm-"Benziner" so um die +/- 9.000 U/min. Pro Sekunde wird also der "Glühzünder" +/- 230 mal, der "Benziner" +/- 150 mal "vibrieren". Diese relativ hohe Frequenz sorgt für das Lösen von Schrauben, bricht Gestänge, verursacht Risse in Mechanikteilen und schlägt Kugelgelenke und Lager aus.
2. Der Heckrotor.
Je nach Auslegung dreht der Heckrotor (einschliesslich der zum Heck führenden Antriebswelle!) so um die +/- 6.000 bis +/- 9.000 U/min., "vibriert" also +/- 100 bis +/- 150 mal pro Sekunde. Diese Kräfte wirken am langen Heckausleger, der sich seinerseits aufschaukeln kann und das dann auf die Zentralmechanik überträgt.
3. Der Hauptrotor.
Der dreht, je nach Auslegung und Durchmesser, +/- 1.600 bis +/- 1.200 U/min., er "vibriert" also +/- 27 bis +/- 20 mal pro Sekunde. Durch die relativ schweren Rotorblätter (+/- 150 bis +/- 250 Gramm pro Blatt) ist der Hauptrotor der kräftigste und problematischste Schüttler.

Die genannten (nur als Anhaltspunkt zu verstehenden) Zahlen zeigen, dass da doch sehr unterschiedliche Kräfte und Frequenzen miteinander und/oder gegeneinander toben und all das soll der Hubschrauber aushalten und das soll möglichst nicht an eine angehängte Kamera übertragen werden. Schwierig.

Generell gilt erst einmal: Je besser der Motor, der Heckrotor (einschliesslich Antriebswelle) und der Hauptrotor ausgewuchtet sind und entsprechend ruhig laufen (was dem ganzen Modell zugute kommt...) um so weniger wird man mit Vibrationen zu kämpfen haben. Logisch.

Nach meinen Erfahrungen gibt es zwei unterschiedliche Anordnungen für eine Kamerabefestigung (Auf den Unterschied zwischen Video- und Fotokamera gehe ich weiter unten ein):

A. Der Hubschrauber wird in allen Komponenten maximal ausgewuchtet und läuft bei allen beim Kameraflug vorkommenden Drehzahlen (!) völlig ruhig.
In diesem Fall kann man versuchen, eine Kamera möglichst nahe am Schwerpunkt anzuordnen und in mittelweichem (was ist mittelweich?) Schaumgummi zu lagern. Es soll erreicht werden, die hochfrequenten Vibrationen (Motor) von der Kamera fern zu halten aber zu vermeiden, dass sich die Kamera bei zu weicher Lagerung analog zum Heckrotor und vor allem Hauptrotor aufschaukelt. Wenn man das hin bekommt - da kann man nur experimentieren - ist das eine gute Lösung.

Aber,
das gilt nur bei einem prima ruhig laufenden Hubschrauber und erfahrungsgemäss ändert sich das von Flug zu Flug und je nach Wetter, Windstärke, Windrichtung, Vergasereinstellung, Nutzlast usw. - usw.

B. Die zweite Lösung geht von einer ganz anderen Denkweise aus:
Die Kamera wird mit einer möglichst großen, vibrationsfreien Masse zu einer kompakten Einheit starr (!) verbunden und diese Einheit wird mehr oder weniger außerhalb des Hubschraubers elastisch an diesem befestigt. Je schwerer diese Einheit ist und je elastischer sie am Hubschrauber befestigt ist, um so neutraler wird sie sich verhalten. (Sie hat ja keinen eigenen "Vibrationserzeuger" an Bord.)

In der Praxis kann man das so lösen, dass das komplette, besonders kompakt und steif konstruierte Landegestell mit der Kamera (und falls vorhanden mit Videosender mit Akku usw.) starr (!) verbunden ist und diese ganze Einheit elastisch unter der Mechanik hängt.
Beim Aero-Tec Foto-Helicopter sind dazu drei elastische Befestigungen unter der Mechanik vorgesehen: Eine im Bereich des vorderen Kufenbügels in der Mitte, zwei am hinteren Kufenbügel in ca. 120mm Abstand.

Diese Anordnung hat sich in den unterschiedlichsten Situationen und mit vielen verschiedenen Kameras bestens bewährt. Dabei war stets zu beachten, dass die Kamera und alle anderen Teile wirklich starr im Kufengestell befestigt wurden. Dann konnte der Hubschrauber selbst sichtbar wackeln, das Kufengestell aber blieb ruhig.

Beim Einsatz eines "normalen" Modellhubschraubers (am günstigsten mit offener Mechanik) kann man natürlich auch die vorhandenen (Vierpunkt-) Befestigungen für das Landegestell nutzen und ein Umbau auf "normale" Kufen oder eine andere Kamera/Kufeneinheit ist dann schnell gemacht.

Zu den Kameras:
Die Installation einer FOTO-Kamera ist eigentlich problemlos. Man wird sie in einem bestimmten Winkel und mit entsprechender Neigung montieren und an das zu fotografierende Objekt heranfliegen. Wichtig ist dabei nur, die FOTO-Kamera nicht nur an ihrem Stativgewinde zu befestigen sondern auch oben abzustützen, damit sie sich absolut nicht rühren kann.
Gleiches gilt auch für eine VIDEO-Kamera, aber mit einem Unterschied:
In einer üblichen Video-Filmkamera (CamCorder) wird das Videosignal direkt in der Kamera auf Band aufgezeichnet. So eine Kamera ist in der Regel nicht ganz leicht und gelegentlich wird ein Modell-Heli mit der zusätzlichen Last überfordert. Außerdem sind solche Kameras relativ hoch, was dann entsprechend hohe Landegestelle erfordert. Was aber am Wichtigsten ist: Die Bandlaufwerke in diesen Kameras sind höchst empfindlich. Schon bei kleinsten (Rest-) Vibrationen laufen die Bänder unruhig und entsprechend unsauber oder unbrauchbar wird die Aufzeichnung.

Besser verwendet man eine kleine, qualitativ gute Videokamera ohne Rekorder, (also nur die nackte Kamera), hält das Landegestell flach und überträgt das Videosignal per Funk an eine Bodenstation. Dort kann das Signal auf einem guten Recorder oder, wenn man sehr professionell arbeiten will, auf einem entsprechend ausgerüsteten Laptop aufgezeichnet werden. Letzteres hat den unschätzbaren Vorteil, dass man die Aufzeichnung unmittelbar auf dem Bildschirm sieht und Regie führen kann. Zulassungsfreie Funkübertragungen und einzelne Kameras gibt es im Handel (oder erprobte Anlagen bei Aero-Tec Helicopter-Technik).

Was soll ich nun abschließend raten ?!?

Wer nur "mal so" ein Luftbild oder Video machen will, der sollte seinen Heli so optimal wie möglich auswuchten bis er völlig ruhig in der Luft liegt (?). Dann die Kamera irgendwie auf weichem Schaumgummi mit Gummiringen befestigen. Und dann kann man nur probieren und bei einem Video kann man sich das Ergebnis ja auch gleich ansehen. Und wenn es nichts geworden ist, Kamera loser oder fester machen, manchmal hilft auch überraschend ein Verschieben der Kamera um 2-3 Zentimeter vor oder zurück oder seitwärts. Wenn man Glück hat, kommen bei bestimmten Fluggeschwindigkeiten und günstigen Rotordrehzahlen ganz brauchbare Ergebnisse zustande und was nichts geworden ist, das kann man ja später herausschneiden oder löschen.

Wer aber Wert auf optimale und sichere Ergebnisse legt und öfter mal Filmen oder Fotografieren will, der findet in der Beschreibung B. weiter oben die für ihn optimale Lösung. Beim Einsatz eines "normalen" Modellhubschraubers (am günstigsten mit offener Mechanik) kann man natürlich auch die vorhandenen (Vierpunkt-) Befestigungen für das Landegestell nutzen und ein Umbau auf "normale" Kufen oder eine andere Kamera/Kufeneinheit ist dann schnell gemacht.

Zusätzliche Infos über Technik und Anwendung der Foto-Helicopters finden Sie auf meiner Internet-site "http://www.dieterschlueter.de" in der Rubrik "Foto-Helicopter".

Komplette Landegestelle, Kamerahalter, Videokameras und Funkübertragungen bekommen Sie bei:
Aero-Tec Helicopter-Technik Uwe Welter
Duisburgerstrasse 18
68723 Hirschacker
Tel.: 06202 924603 - Fax.: 06202 924604
Passende Gummilager für die elastische Aufhängung haben die Bestell-Nr. 162

Mit freundlichen Grüssen,
Dieter Schlüter.

Oktober 2000

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